An alle Vergaser-F (169) Fahrer
(Beitrag gilt sinngemäß auch für Bremszylinder anderer Modelle)
Wer das Problem mit schlechter Fußbremswirkung oder Probleme beim Entlüften der Hinterradbremse hat, kann sich das Nachfolgende mal zur Info durchlesen:
Anzeichen für defekten Hauptbremszylinder (hinten)
Bremspedal steht zu tief
Langer Pedalweg
Nachstellen der Schubstange wird erforderlich
Bremsdruck / Verzögerung nicht ausreichend
Probleme beim Entlüften der Bremsanlage, weil der geringe Volumenstrom nicht ausreicht, die Luftblasen aus der Bremsleitung zu drücken.
Hauptursache für Bremszylinderverschleiß ist alte Bremsflüssigkeit, weil man diese über Jahre hinweg nicht gewechselt hat. Bremsflüssigkeit verbindet sich mit der Luftfeuchtigkeit und nach und wird der Wassergehalt so hoch, dass sich im Bremszylinder Korrosion bildet.
(Bei hohem Wasseranteil sinkt auch der Siedepunkt der Bremsflüssigkeit. Bei langen Bremsungen, z.B. Passabfahrten, kann die Bremsflüssigkeit zu kochen anfangen. Dann bilden sich Dampfblasen und die Bremse wird wirkungslos).
Jedenfalls wird durch die Korrosion der Betätigungskolben fester und fester. Die Druckfeder schafft es nicht mehr, den Kolben in Endlage zurück zu drücken.
Damit wird nicht nur der Pedalweg zu groß. Insbesondere das aufgrund des geringeren Kolbenhubes niedrigere Volumen sorgt dafür, dass bei Pedalbetätigung viel zu wenig Bremsflüssigkeit zum Radbremszylinder gelangt. Die Bremsleistung wird geringer und kann sogar gegen Null zurück gehen.
Um ganz sicher zu gehen, sollte man einen fabrikneuen Bremszylinder einbauen. Wer aber warum auch immer zur Selbsthilfe schreiten will oder muss, kann versuchen, das Teil zu reparieren:
Demontage und Reparatur
Bremszylinder ausbauen und mit Befestigungslaschen im Schraubstock aufnehmen. Staubmanschette abnehmen.
Sprengring / Seegerring mit Seegerringzange ausbauen.
Der Bremszylinder hat eine Stufenbohrung (oben größerer Durchmesser). Im oberen Bereich sitzt eine Polyamidbuchse. In deren Innern sitzt der Kolben. Man kann versuchen, diesen mit einer Spitzzange vorsichtig nach oben zu ziehen. Wenn man Glück hat, funktioniert dies.
Die Polyamidbuchse kann man ebenfalls mit etwas Glück heraus ziehen oder heraus klopfen.
Leider sitzt meist alles fest und dann gibt es nur einen Trick:
Der Kolben hat eine Bohrung, in welche im eingebauten Zustand die Schubstange mit ihrer Kegelspitze sitzt. Nun wird in diese Bohrung vorsichtig ein Gewindebohrer M 8 eingedreht. Es genügen meist wenige Millimeter. Nun kann man versuchen, den Kolben mit dem Gewindebohrer heraus zu ziehen.
Scheitert auch dieser Versuch, geht es einen Schritt weiter:
Der Gewindebohrer wird nochmals ein oder zwei Gewindegänge weiter hinein gedreht und dann wieder heraus geschraubt. Nun hat man im Konus des Kolbens ein paar Gewindegänge zur Verfügung.
Jetzt nimmt man eine möglichst lange Schraube M8 (mit Gewinde bis zum Kopf), eine M8er Mutter und eine Unterlegscheibe. Mutter auf der Schraube bis zum Kopf drehen. Unterlegscheibe draufsetzen. Jetzt wird diese Schraube mit Mutter und U-Scheibe in das zuvor geschnittene Gewinde eingedreht. So hat man sich einen einfachen Abzieher gebaut.
Die Mutter wird nun in weit wie möglich wieder in Gegenrichtung gedreht. Sie stützt sich jetzt auf der U-Scheibe ab und entwickelt eine Zugkraft auf den Kolben, der dadurch (hoffentlich) nach oben gezogen wird.
Man nimmt den Kolben zusammen mit der daran befestigten Druckfeder heraus. Meist kommt die Polyamidbuchse auch gleich mit. Ansonsten zieht man sie anschließend mit einem Häkchen heraus.
Zusammen mit dem Kolben kommt noch ein O-Ring mit, der die Abdichtung zwischen Polyamidbuchse und ebenfalls raus.
Am Kolben befindet sich eine Dichtmanschette, die man tunlichst drauf lässt und mit großer Vorsicht behandeln sollte. Ist diese defekt oder zerstört man sie, kann man den Kolben komplett wegschmeissen.
Also Vorsicht! Und jetzt werden erst mal mit einer Bürste vorsichtig der Rost und sonstige Anhaftungen am Kolben, der Dichtung und der Druckfeder entfernt. Evtl. mit feinem Schmirgelleinen (feinste Körnung, z.B. 400 oder besser) weitere Rückstände entfernen und Kolben nachpolieren.
Der Bremszylinder wird im Innern ebenfalls von Schmutz gereinigt und evtl. mit Schmirgelleinen poliert.
Vielleicht hat der Opa ja eine Zahnprothese. Dann gibt’s sicher auch irgendwo ein kleines Ultraschallbecken... Das hilft! Und ist weniger schädlich als z.B. eine Drahtbürste.
Falls wir in den Innenkonus einige Gewindegänge einschneiden mussten, sollten wir diese mit dem DREHMEL etwas ausschleifen.
Ist alles erledigt und sauber, so werden die Teile vor dem Zusammenbau sorgfältig mir Vaseline (weil säurefrei) eingefettet und wieder nacheinander eingebaut:
Kolben wieder einsetzen.
O-Ring einsetzen. Der umschließt den Kolben und liegt nun auf dem Absatz der Stufenbohrung.
Polyamidbuchse einsetzen (sitzt auf dem O-Ring auf)
Alles eindrücken und Sprengring einsetzen.
Nun prüft man noch mal, ob sich der Kolben leicht bis nach unten drücken lässt und danach auch wieder bis ganz nach oben zurück kommt. ES MUSS GANZ LEICHT GEHEN!
Anschließend noch Staubmanschette aufstecken und das Ding ist fertig zum Wiedereinbau.
Viel Spaß beim Schrauben! Und verflucht mir bitte nicht die Knochen, wenn es bei Euch nicht klappen sollte.
Nach meiner Information gibt es für APRILIA-Bremszylinder, die ja baugleich sind, entsprechende Reparatursätze (Kolben mit Feder und Dichtmanschette, O-Ring, Polyamidbuches und Sprengring). Wer hier zweckdienliche Hinweise machen kann, kann sich hier echt profilieren.
Euer Eschberger